Entscheidend ist nicht, wie viel Zeit wir mit unseren Kindern verbringen, sondern wie hochwertig oder intensiv diese Zeit ist (Neudeutsch „Quality Time„). Und Quality Time schenken wir nicht nur unseren Kindern – Sie trägt auch zu unserer eigenen Entspannung bei.
Vor einigen Wochen hat mir mein Ältester (13 Jahre) anvertraut: „Papa – du bist der beste Zuhörer der Welt. Wenn ich dir etwas erzähle, dann weiß ich, dass du mir konzentriert zuhörst – selbst wenn du mich nicht dabei anschaust.“ Ich war sehr gerührt und bekam feuchte Augen!
Wie kann es kommen, dass sich mein Sohn dessen so sicher ist? Vielleicht, weil ich ihm immer zu verstehen gebe, wenn ich gerade nicht in der Lage bin, ihm konzentriert zuzuhören. Das mache ich dann ganz offen: „Ich bin mit meinen Gedanken gerade woanders und kann dir deshalb jetzt nicht gut zuhören. Magst du mir in einer halben Stunde erzählen?“
Dieses Versprechen halte ich in aller Regel und höre mir mit ungeteilter Aufmerksamkeit Geschichten von MineCraft, Star-Wars oder Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit an.
Kinder haben ein gutes Gefühl dafür, ob wir als Eltern gerade ganz bei ihnen oder mit unseren Gedanken woanders sind.
Vielleicht kennen Sie auch die Situation, dass Sie Zeit mit Ihrem Kind verbringen und nicht ganz bei der Sache sind. Weil Ihre Gedanken bei dem sind, was Sie sonst an dem Tag noch alles erledigen wollen. Oder, dass Sie viel lieber jetzt mit Ihrer besten Freundin telefonieren würden. Oder ganz einfach mal Ruhe brauchen.
Das führt dann zu innerem Stress. Diesen Stress halten Sie möglicherweise aus, weil Sie Ihrem Kind etwas Gutes tun wollen. Vielleicht auch, weil Sie als Alleinerziehende oft ein schlechtes Gewissen haben, weil Ihr Kind nicht täglich beide Elternteile hat.
Sorgen Sie gut für sich und reduzieren Sie diesen Stress: Wenn es Ihnen gerade nicht gelingt, zu 100% bei Ihrem Kind zu sein, dann ist es vielleicht hilfreich, zunächst Ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.
Wenn es Ihnen als Mutter gut geht, geht es auch Ihrem Kind gut.
Im hier & jetzt sein
Aus dem Zen gibt es für das ganz im hier & jetzt sein eine sehr schöne Geschichte:
Es kamen einmal ein paar Suchende zu einem alten Zenmeister.
„Herr“, fragten sie „was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Wir wären auch gerne so glücklich wie du.“
Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich.“
Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: „Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?“
Es kam die gleiche Antwort: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ist und wenn ich esse, dann esse ich.“
Die Unruhe und den Unmut der Suchenden spürend fügte der Meister nach einer Weile hinzu: „Sicher liegt auch Ihr und Ihr geht auch und Ihr esst. Aber während Ihr liegt, denkt Ihr schon ans Aufstehen. Während Ihr aufsteht, überlegt Ihr wohin Ihr geht und während Ihr geht, fragt Ihr Euch, was Ihr essen werdet. So sind Eure Gedanken ständig woanders und nicht da, wo Ihr gerade seid. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Lasst Euch auf diesen nicht messbaren Augenblick ganz ein und Ihr habt die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein.“
(gefunden auf „ZeitZuLeben.de„)
Was hat das mit Ihrem Stresspegel zu tun?
Wenn Sie zu 100% bei dem sind, was Sie gerade tun, dann wird der Rest der Welt in diesem Moment unwichtig. Im hier & jetzt sein heißt alle Gedanken an gestern, vorhin, gleich, morgen und alle Sorgen auszublenden. Und Sie können beobachten, dass Sie nach solchen Momenten deutlich entspannter sind.
Häufig lässt sich das im Sport erreichen. Wenn ich nach 75 Minuten Training aus dem Wasser komme, ist mein Kopf „leer„. Ich fühle mich „platt“ und herrlich entspannt.
Im hier & jetzt mit Ihrem Kind
In der Zen-Geschichte steht: „Wenn ich Esse, dann esse ich.“ Machen Sie das doch einmal mit Ihren Kindern zusammen. Sie können z.B. eine „Genussminute“ bei den Mahlzeiten einführen.
„Das Essen schmeckt mir so gut – Mama möchte es für eine Minute ganz doll genießen. Machst du mit?“
Dann schließen Sie die Augen und tun genau das: Volle Konzentration auf das, was Sie gerade essen. Darauf, wie es schmeckt oder sich im Mund anfühlt. Keine anderen Gedanken – nur bewusst genießen. Für eine ganze Minute lang. Vorher erklären Sie Ihrem Kind, was Sie vorhaben.
Vielleicht fällt es Ihnen am Anfang schwer, sich für eine ganze Minute auf den Geschmack des Essens zu konzentrieren. Eine Minute kann ganz schön lang werden. Wenn Sie es ein paar mal gemacht haben, wird es Ihnen leichter fallen.
Auf diese Art gewinnen Sie nicht nur einen hochwertigen Entspannungsmoment. Gleichzeitig vermitteln Sie Ihrem Kind auch die Fähigkeit, den Moment zu genießen und das Essen zu wertschätzen.
Kurze Entspannungsmomente im Alltag entdecken
Kurze Entspannungsmomente können Sie ganz oft in Ihrem Alltag einbauen. Sie können morgens unter der Dusche ganz bewusst das warme Wasser genießen und fühlen, wie es an Ihnen herunterläuft – anstatt daran zu denken, was an dem Tag alles so ansteht.
Oder Sie beginnen, bei ganz alltäglichen Arbeiten ganz im hier & jetzt zu sein – z.B. beim Staubsaugen oder Wäsche falten (ich finde zum Beispiel T-Shirts falten sehr meditativ).
Eine liebe Freundin nennt solche Arbeiten „Karma Yoga“. Klingt schon ganz anders als „Hausarbeit“ 😉
Auf diese Weise können Sie – ohne eine einzige zusätzliche Minute aufzuwenden – Ihren Stresspegel spürbar reduzieren.