Wie so oft hast Du zu viel um die Ohren, fängst an Dich zu „verzetteln“ – und 1000 Dinge schwirren Dir gleichzeitig im Kopf rum. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch mal wirklich wichtige Dinge hinten runterfallen. Wie soll man mit so vielen Dingen nur fertig werden – und dabei am besten auch noch gesund bleiben?
Weil wir Menschen Rezepte lieben, suchen wir in solchen Situationen ganz schnell nach einem Rezept, mit dem man solche Probleme lösen kann. Und vielleicht haben Freunde oder Kollegen Dir schon öfter mal das Rezept „Zeitmanagement“ angeboten.
„Du müsstest dringend Dein Zeitmanagement verbessern“. Solche Ratschläge von wissenden Freunden oder Kollegen sind gut gemeint und klingen logisch. In meinen Seminaren sitzen auch immer wieder Menschen, denen nach Ansicht ihrer Chefs ein „bisschen Zeitmanagement“ ganz guttun würde.
Aber löst Zeitmanagement wirklich das Problem einer ständigen Überlastung? Und wenn ja: Wie macht man das genau? Welche Methoden gibt es – und welche Methode ist die beste?
Die beste Methode müsste idealerweise dazu führen, dass Du immer alles zum richtigen Zeitpunkt erledigst. Diese Methode müsste Deine Produktivität erhöhen, denn Du hast in der Regel mehr zu tun, als Du bisher schaffen konntest. Auf der anderen Seite müsste sie dazu führen, dass Du Dich deutlich entspannter fühlst.
Toll wäre auch, wenn Du mit Hilfe der Methode den Kopf frei bekommen würdest, damit der Berg an ToDos nicht ständig in Deinem Kopf rumschwirrt. Sie müsste bewirken, dass das Gefühl von ständiger Überlastung weg wäre. Sie müsste Dir ein Gefühl von Kontrolle geben.
Klingt gut, oder?
Bevor aber allzu viel Euphorie für Zeitmanagement aufkommt, möchte ich den Begriff „Zeitmanagement“ einmal kritisch hinterfragen. Denn eigentlich ist der Begriff „Zeitmanagement“ gar nicht wirklich passend, weil Zeit sich bekanntermaßen gar nicht managen lässt. Sie verläuft mit einer konstanten Geschwindigkeit – und es gibt nichts, was Menschen daran managen könnten.
Was wir tun können, ist die Art und Weise zu verändern, wie wir die Zeit nutzen. Dann wäre der Begriff „Selbstmanagement“ passender – denn es geht schließlich primär um uns und nicht um die Zeit.
Allerdings gefällt mir der Begriff „Selbstmanagement“ auch noch nicht. Mir gefällt der Gedanke nicht, mich selber zu managen. Der Autor Stephen R. Covey hat in einem seiner Bücher sehr treffend geschrieben:
„Dinge können gemanaged werden – Menschen brauchen Führung“.
Und ich bin nun mal kein „Ding“. Statt mich selber zu managen, möchte ich mich lieber selber führen. Deswegen rede ich am liebsten von „Selbstführung“.
Der Begriff der Führung beinhaltet einen Aspekt, der mir ganz besonders wichtig erscheint: Wer führt, übernimmt Verantwortung. Wer andere führt, übernimmt für andere Verantwortung.
Wer sich selber führt, übernimmt für sich selber die Verantwortung.
Im Business sollte derjenigen, der führt (in aller Regel eine Führungskraft), auch das Priorisieren von Aufgaben übernehmen. Vor allem in den Fällen, wo für die Mitarbeiter mehr Arbeit anfällt als sie schaffen können. Wenn Führungskräfte priorisieren, kann das für Mitarbeiter zu einer deutlichen Reduzierung des Stresses führen. Wenn also der Chef die Verantwortung übernimmt, ist für Dich doch alles gut.
Aber was, wenn er das nicht tut? Wenn er Dir mit nachvollziehbaren Argumenten vermittelt, dass alles gleichwichtig ist – und du bis gestern alles fertig haben musst? Oder wenn Du keinen Chef hast, der Dir die Aufgabe des Priorisierens abnehmen könnte – zum Beispiel im privaten Kontext?
Früher oder später kommst Du an den Punkt, an dem Du selber die Verantwortung für Dich übernehmen solltest. Wo Du Deine eigenen Entscheidungen triffst, die auch mal schmerzlich sein können. Wo Du beginnst, Dich selber zu führen.
Du kannst entscheiden, dass Du die 100 Dinge auf der Arbeit bis gestern erledigst und dafür Überstunden einlegst. Du kannst Dich dafür entscheiden, dass Überstunden zur Dauereinrichtung werden. Aber meiner Meinung nach ist es nicht legitim zu sagen, dass Du nichts dagegen tun könntest.
Du könntest nämlich „nein“ sagen.
Du könntest Dinge weglassen und die Konsequenzen tragen. Das ist nämlich genau das, was eine Führungskraft tut, wenn sie die Dinge für Dich priorisiert, damit Du nicht ständig Überstunden machen musst. In dem Moment trifft sie Entscheidungen und akzeptiert die Konsequenzen dafür, dass etwas nicht wie geplant oder gebraucht fertig wird. In dem Moment übernimmt sie Verantwortung.
Als gute Führungskraft für Dich selber würdest Du gut für Dich sorgen – Du würdest Deiner „Fürsorgepflicht“ nachkommen (die in Unternehmen so oft vergeblich bei den Chefs gesucht wird). Du würdest dafür sorgen, dass Du langfristig gesund und leistungsfähig bleibst – und dass Überstunden nicht zur Dauereinrichtung werden. Im privaten Umfeld würdest Du dafür sorgen, dass Du nicht ständig Deinen Verpflichtungen hinterherrennst, sondern Deiner Erholung und den Dingen, die Dir guttun, einen hohen Stellenwert und ausreichend Zeit einräumst.
Vielleicht kämest Du auch auf den Gedanken, Dir ein paar Rezepte aus der Zeitmanagement-Küche anzueignen. Damit Du eine Struktur bei Deiner Selbstorganisation hast, die Dich entlastet und Dir Sicherheit gibt.
Zeitmanagement-Rezepte sind allerdings nur so gut wie der Koch, der sie kocht.
Werkzeuge sind nur so gut wie derjenige, der sie führt.
Und um Werkzeuge gut zu führen, braucht es eine entsprechend Übung – die Du nur bekommst, wenn Du Dich selber gut führst.
Viele Anregungen zur Selbstführung dazu findest Du in meinem Taschenbuch „Selbstmanagement“.