Warum die Eisenhower-Methode oft nicht funktioniert

Bild Eisenhower-MatrixWird etwas wichtig nur weil es bald fertig sein muss? Für viele Menschen ist das so. Die Priorität von Aufgaben ergibt sich oft aus der Dringlichkeit. Wir sind stark termingetrieben - und leider selten inhaltsgetrieben. Und deswegen kann die Eisenhower-Methode auch meistens keine Wirkung entfalten.

Verstehe mich nicht falsch: Ich bin ein großer Anhänger der Eisenhower-Methode. Sie ist genial und einfach und die Grundlage fast aller Priorisierungsentscheidungen, die ich treffe. Wenn ich sie allerdings in meinen Seminaren vorstelle, blicke ich oft in irritierte Gesichter.

Ganz kurz zur Eisenhower-Methode. Bei dieser Methode geht es darum, die Priorität einer Aufgabe mit zwei Attributen zu beschreiben: Der Dringlichkeit und der Wichtigkeit. Und dabei ist es wichtig, das Eine nicht mit dem Anderen zu verwechseln.

Eine kompakte Darstellung der Eisenhower-Methode findest Du in diesem Beitrag: Eisenhower in Kurzform.

Für die Einschätzung der Dringlichkeit haben wir meistens gute Antennen. Und wenn wir sie nicht haben: Unser Chef oder unser Umfeld hat sie!

Aber was macht eine Aufgabe wichtig, wenn es nicht ein Termin ist?

Wichtig sind die Dinge, die eine große Relevanz für mein Unternehmen oder mein Leben haben.

Wichtigkeit im Job

Wenn ich Projektleiter bin und mehr Geld für die Umsetzung meines Projekts  benötige, dann ist es ungemein wichtig die Geldgeber davon zu überzeugen. Und wenn mir jetzt bald das Geld ausgeht, dann ist diese Aufgabe auch noch dringlich.

Wenn der gleiche Projektleiter seinen monatlichen Statusbericht erstellen soll, dann ist das in aller Regel nicht wichtig. Es wird aber dringlich, wenn der Abgabetermin für diesen Bericht ansteht.

Das ist die Stelle, an der Manager und Projekt-Controller laut aufschreien: Natürlich ist der Statusbericht wichtig!

Aber was passiert, wenn der Statusbericht in einem Monat nicht erstellt wird?

Nix.

Oder zumindest nicht viel. Denn Auftraggeber und die relevanten Stakeholder sind in aller Regel sowieso über den Status des Projekts im Bilde. Im schlimmsten Fall macht ein Manager „ts, ts, ts - im nächsten Monat aber bitte den Statusbericht wieder erstellen.“

Die wirkliche Bedeutung eines solchen Statusberichts für das Unternehmen oder das Projekt ist gering. Die Konsequenz bei Nicht-Erstellung ist klein.

Das ist ein schönes Beispiel für eine Aufgabe, die zwar dringlich aber nicht wichtig ist.

Wo die Wichtigkeit herkommt

Wer darf denn überhaupt entscheiden, was wichtig und was unwichtig ist?

Gerade in hierarchisch geführten Unternehmen entscheiden oft Führungskräfte über die Wichtigkeit einer Aufgabe. Und da beginnt das Dilemma: Auch Führungskräfte sind meistens gefangen in dem hierarchischem System.

Das heißt: Wenn der Ober-Chef vom Unter-Chef etwas ganz schnell haben will, dann ist das für den Unter-Chef ganz doll wichtig. Er möchte ja gerne als Lösungsbringer und nicht als Blockierer dastehen. Blockierer machen nämlich selten Karriere.

Und schon nimmt der Unter-Chef einen Mitarbeiter zur Seite und betraut ihn mit dieser ganz doll wichtigen Aufgabe. Das hat Prio 1!

Der Mitarbeiter hat dann gar keine Wahl mehr: Diese Aufgabe ist wichtig und dringlich, weil der Ober-Chef das so wünscht.

Kennen Sie Menschen, die sich in der Rolle des Mitarbeiters oder des Unter-Chefs hinstellen und sagen: „Die Einschätzung der Wichtigkeit teile ich nicht. Wir haben wichtigere Dinge zu tun!“

In hierarchischen Unternehmen passiert das selten. Und wer es doch tut, ist ein Querulant und schwierig zu führen.

Bei diesem hierarchischem Prinzip verliert die Eisenhower-Methode für den Mitarbeiter ihre Wirkung, weil der Mitarbeiter nicht über die Bedeutung von Aufgaben entscheiden darf. Er bekommt nur noch Termine vorgegeben.

Die Prozessfalle

Neben Hierarchie gibt es noch eine weitere Falle für die Wichtigkeit einer Aufgabe: Wichtig werden Aufgaben, weil ein Prozess sie vorsieht.

Der Statusbericht des Projektleiters ist aus Sicht des Projekt-Controllings deswegen wichtig, weil ein Prozess vorschreibt, dass dieser Bericht jeden Monat zu erstellen ist. Würde es nicht im Prozess stehen, würde es keiner machen.

Ich weiß, das ist eine steile These. Meiner Erfahrung nach ist es aber so.

Prozesse sind oft nützlich. Wenn Dinge aber wichtig werden, weil ein Prozess das so vorsieht, dann wird das Denken der beteiligten Akteure ausgeschaltet: Die „Erfinder“ des Prozesses werden sich schon was dabei gedacht haben.

Ich bin davon überzeugt, dass viele Mitarbeiter ein sehr gutes Gefühl für den Nutzen und die Bedeutung von Aufgaben für das Unternehmen haben. Wenn man sie über die Wichtigkeit entscheiden ließe, wäre die Eisenhower-Methode ganz plötzlich ein sehr nützliches Werkzeug.

Aber damit wäre die Hierarchie ja ausgehebelt…

Handfeste Kriterien für die Wichtigkeit von Aufgaben im Job könnten sein:

  • Der Umsatz, der damit verbunden ist
  • Die direkte Kundenzufriedenheit, die dadurch erzeugt wird
  • Die strategische Weiterentwicklung des eigenen Business
  • Die Nachhaltigkeit der eigenen Produkte oder Dienstleistungen
  • Die Steigerung der Effektivität oder Effizienz im eigenen Unternehmen

Wichtigkeit im privaten Umfeld

Menschen, die sich oft mehr zumuten als gesund für sie wäre, haben meistens auch ein Problem, die Wichtigkeit von Aufgaben zu bewerten. Irgendwie erscheint alles so wichtig. Und im Privaten gibt es keinen Chef, der einem diese Entscheidung abnimmt.

Ist das Treffen mit einer Bekannten wichtiger als die Schulpflegschaftssitzung an der Schule der Tochter vorzubereiten? Ist es wichtiger ins Fitness-Studio zu gehen oder die Steuererklärung zu machen?

Auch hier wird oft über Termin entschieden: Wenn die Schulpflegschaftssitzung morgen ist, dann muss ich das spätestens am Vortag vorbereiten. Wenn ich eine Mahnung vom Finanzamt bekommen habe, weil meine Steuererklärung immer noch nicht fertig ist, dann ist das plötzlich wichtig.

Aus dieser Nummer kommt man dann raus, wenn man grundsätzlich entscheidet, was im eigenen Leben wichtig ist und eine hohe Bedeutung haben sollte.

Dann könnte man vielleicht entscheiden, dass man die Rolle der Schulpflegschaftsvorsitzenden gar nicht erst annimmt. Weil die Bedeutung dieser Rolle für das eigene Leben eher gering ist.

Aus meiner Sicht ist es wirkungsvoller, über die eigenen Rollen im Leben nachzudenken und sich vielleicht auf weniger Rollen zu fokussieren, als bei jeder einzelnen Aufgabe die Bedeutung für das eigene Leben zu entscheiden.

Mit einer Fokussierung auf weniger Rollen kann man jede Aufgabe beiseite schieben, die mit diesen Rollen nichts zu tun hat.

Und wenn man für die einzelnen Rollen dann noch Ziele hat, fällt die Entscheidung noch leichter.

Aber was tun, wenn es trotz Klarheit über Rollen und Zielen immer noch zu viele Aufgaben sind? Aus meiner Sicht ganz klar: Dann hat man noch zu viele Rollen oder Ziele.

Ideen, wie Du mit Rollen und Zielen priorisieren kannst, bekommst Du vielleicht in diesem Beitrag: Lebensbereiche: Bewusst Prioritäten setzen

Fazit

Die Eisenhower-Methode kann ein sehr wirkungsvolles Werkzeug sein. Um sie anzuwenden braucht es aber diese zwei Voraussetzungen:

  1. Man hat die Freiheit, über die Wichtigkeit von Aufgaben entscheiden zu dürfen
  2. Man hat klare Kriterien, mit denen die Wichtigkeit von Aufgaben bewertet werden kann

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